Die Quarantäne habe ich schon 3 Monate länger geübt, denn eine heftige Verletzung meines rechten Sprunggelenkes nagelte mich in meiner Wohnung im 3. Stock fest. Für mich als bewegungsfreudigen Menschen ein Schock.
Und nun befinde ich mich zudem auch noch in der Hochrisikogruppe.
Mit einigem Erstaunen stelle ich fest, dass da draußen sich etwas „noch nie Dagewesenes“, absolut Schreckliches, Todbringendes ereignet hat.
Die Welt da draußen- so höre ich- hamstert Klopapier und hortet Nudeln. Warum? Muss ich auch hamstern und horten? Und wer sollte das für mich tun? Wenn sie doch für sich selbst nichts bekommen?
Bevor mein persönliches Lockdown sich abzeichnete, hatte ich „wie ein Weltmeister“ eingekauft, doch nun nach mehr als 4 Wochen half auch die genialste Kreativität mir nicht mehr, irgendetwas halbwegs Schmackhaftes zu kreieren. Auch brauchte ich Zahnpasta. Recht verunsichert fragte ich, kann man denn überhaupt etwas zu essen kaufen. Ja, klar. Aufatmen. Vielleicht sogar etwas „Grünes“, Frisches, Obst? Gemüse? Ja, natürlich. Und Blumen? Auch das.
Fast beruhigt widmete ich mich wieder meinem Training auf einem Bein, das andere in Gips, auf Krücken gestützt meinen Tagesablauf zu organisieren, im Stillen mich wundernd, welche Urgewalt in Gestalt eines Virus über ein hochzivilisiertes, reiches Land wie Deutschland hereingebrochen war.
Und es wurde von Tag zu Tag schlimmer. In allen Medien wurde nur noch darüber berichtet und, was mich am meisten beeindruckte: die Einschränkungen der Menschenrechte wurden widerstandslos hingenommen!
Öffentliche Veranstaltungen wie Kultur, Sport und Religion geschlossen, soziale Einrichtungen –außer den Kliniken- geschlossen, Ausgeh- und Versammlungsverbote, Industrie-und Wirtschaft- außer den systemrelevanten- runtergefahren, gigantische finanzielle Hilfssummen bewilligt, usw. Einkaufen durfte man, aber nur unter Beachtung der hygienischen Sicherheitsmaßnahmen (Mund/Nasenschutz u.ä.)

„social distancing“

Während ich nach Monaten der Zwangsimmobilität vorsichtig wieder erste Gehversuche übte, erleichtert im doppelten Sinn, weil ohne Gips und Bleischuh, schließlich endlich auch ohne Krücken, erleichtert, weil ich meine Bewegungsfreiheit wieder zu erlangen schien, zwar immer noch verbannt auf der 3. Etage, versank draußen die Welt im Stillstand. Zwischen mir und der Welt lagen 3 Etagen, die hinunter zu gehen, um z.B. an den Briefkasten zu gelangen, lag noch immer jenseits meiner Möglichkeiten. Aber ich lernte, mich wieder in meiner Wohnung zu bewegen – welche Möglichkeiten eröffneten sich mir! Welche Befreiung!
Die Freude über meine eigene Bewegungsmöglichkeit stimmte so gar nicht mit dem überein, was ich von draußen hörte! Denn da zeichneten sich allmählich die Folgen der eingeschränkten Bewegungsfreiheit ab.
Ich freute mich über jeden Schritt, den ich nach 6 Monaten wieder tun konnte und draußen wuchs die Panik über die Einschränkung.

Der Eindruck vertiefte sich, in zwei verschiedenen Welten zu leben, beide gekennzeichnet von reduzierter Bewegungs- und Kontaktmöglichkeit.
Dabei durfte man doch rausgehen, einkaufen, spazieren gehen. Mir fiel es schwer, die Dramatik zu verstehen. Davon, wovon ich seit Monaten träumte, selbst einkaufen zu können, wieder unabhängig von der Hilfsbereitschaft anderer zu werden, das sollte nichts
bedeuten? Oder sogar spazieren gehen – welcher Freiheitsgewinn! Einfach aufstehen können und in einen anderen Raum gehen oder die hohe Schwelle zum Balkon überwinden, um draußen Luft zu holen – nichts wert?
Monatelang hatte ich jeden humpelnden Schritt überlegt, ob er denn wirklich unvermeidbar sei, bevor ich mich dazu entschloss. Das hatte so viel Energie gebraucht, dass ich mich nur marginal mit Corona beschäftigte. Doch nun lässt mich der Gedanke nicht los, meine doppelten Quarantäne-Ereignisse zu untersuchen. Was ist unterschiedlich, was ist vergleichbar an diesen beiden Krisen?

Außer der Gemeinsamkeit der eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten ist es wohl die Erfahrung, dass Gewohntes nicht mehr geht, was das Erlebnis einer existentiellen Krise auslöst.
Mir geht es nicht darum, das Drama der einen gegen das der anderen aufzurechnen, was das je „Existentielle“ auslöst, sondern einmal darum, was wird als existentiell erlebt, zum anderen, was lässt sich aus einer solchen Erfahrung lernen. Lässt sich die Krise auch als Chance begreifen und vor allem dann auch nutzen? Denn schon immer wurde eine Entwicklung durch die Überwindung von Schwierigkeiten befördert.

Die Corona-krise löste in der Gesellschaft zunächst Panik aus, ablesbar an den Hamsterkäufen von Klopapier und Nudeln. Gehorsam folgte die Bevölkerung der Anweisung, nicht mehr vor die Tür zu gehen, aus Angst vor dem zwar identifizierten, doch unberechenbaren Virus. Offenbar ist in der Verunsicherung eine klare Ansage, selbst wenn sie massive Einschränkung der Grundrechte bedeutet, leichter zu ertragen als Ungewissheit.

Nach und nach wurde deutlich, was der shut-down bewirkte. Kinder konnten weder in die Schule noch in die KiTa gehen, Eltern arbeiteten im Homeoffice, Reisen fanden nicht mehr statt, Unterhaltung sei es Kultur oder Sport war nicht mehr möglich. Eine Zeitlang fanden noch Geisterspiele statt und dann auch die nicht mehr. Kranke, Pflegebedürftige, Großeltern und Gottesdienste durften nicht mehr besucht werden. Kontaktsperre total.

Auf den Straßen wurde es still, am Himmel leise, die Luft besser.

Was ist das Existentielle in der Corona-Krise?
Ganz sicherlich zeigt sich das Existentielle im Arbeitsbereich bei drohendem Jobverlust, Einkommensverlusten, gestoppten Ausbildungs-und Prüfungssituationen. Zwar genehmigte die Regierung in absoluter Einigkeit unglaubliche finanzielle Zuwendungen und dennoch schien das Angstgefühl zu bleiben vor einer ungewissen Zukunft.
Auch bemühte sich die Regierung in seltener Transparenz, die Bevölkerung zum Mit-und Durchhalten zu motivieren. So wurde klar, dass das Gesundheitssystem nicht durch zu viele Neuinfizierte überlastet werden dürfe, von daher die Kontaktsperren einzuhalten seien. Zugleich zeigte sich mit jeder weiteren Information wie kompliziert das Geschehen ist, da offensichtlich alles mit allem in unserer Wirtschaft verbunden ist. Nicht eine wissenschaftliche Disziplin – die Medizin- konnte Antwort geben, sondern Ökologen, Soziologen, Psychologen, Wirtschaftswissenschaftler u.s.w. mussten ihren Sachverstand mit einbringen und nicht zuletzt die ITfachleute.

„social distancing“

Was für den Wirtschaftsfachmann eine zwingende Maßnahme war, verbot sich aus ethischer Sicht. Was ein Segen der digitalen Möglichkeit war, stellte sich in der Praxis für die alleinerziehende Mutter im Homeoffice als Katastrophe heraus. War die Kontaktsperre, das Besuchsverbot in Alters-und Pflegeheimen für die Hochrisikogruppe aus Sicht des Virologen notwendiger Schutz, stellten Psychologen bald fest, dass diese Menschen nun auch noch unter Depressionen litten.
Je länger der shutdown währte, desto deutlicher wurden die negativen Auswirkungen, und das Dilemma für die Verantwortlichen immer schärfer.
Verschwörungstheorien, die sich dank der digitalen Medien ungebremst vermehrten, wuchsen.

Um Gewinn zu maximieren, wird Vieles „ausgesorct“. Was sich bitter zeigte z.B. bei medizinischem Gerät und solch Kleinigkeiten wie Mund/Nasenmasken, die normalerweise wenige Cent kosten, nun plötzlich noch nicht einmal auf dem Schwarzmarkt zu ergattern waren und selbst legal mehrere zweistellige € Beträge pro Stück kosten. Die schöne globale Welt zeigt, wie verletzlich wir sind in unserer Abhängigkeit.
Die widersinnigen Appelle an die Bevölkerung blieben prompt nicht ohne Folgen: alle müssen Maskentragen – doch es gibt keine! Zuwiderhandeln wird bestraft.
Die Zustimmung mit der Regierung bröckelt. Der Ruf nach klarer Ansage immer lauter; die Forderungen nach Lockerung unüberhörbar.
Waren die Politiker zu Beginn der Pandemie einig und zu raschem Handeln fähig, zeigt nun das Bedürfnis einiger, sich als Krisenmanager zu profilieren ( es stehen Wahlen an!). Ein Wettstreit zwischen den einzelnen Landesfürsten ist entbrannt. Unbestritten ist, dass die Ausbreitung des Virus in den 16 Bundesländern, allein schon wegen ihrer unterschiedlichen Bevölkerungsdichte variiert.
Nun wurden von der Bundesregierung klare Kriterien vorgegeben, nach denen sich die einzelnen Länder eigenverantwortlich richten müssen.
Trägt das zur Beruhigung und somit zum Durchhalten der Beschränkungen bei? Zumindest scheint eine Handlungssicherheit wieder installiert.
Doch was ist das für eine „Sicherheit“? Das Virus ist in seinen Wirkungen immer noch nicht endgültig bekannt. Alle Maßnahmen beruhen auf kaum validen Studien. Impfstoffe und Medikamente sind weltweit in seltener Einigkeit! in Erprobung. Klinische Studien dauern lange, wenn sie solide sein sollen.
Es wird viel kommuniziert, aber falls verantwortlich, muss alles mit dem Zusatz „vermutlich“, „zur Zeit“, „bis her“ versehen werden, was letztlich zwar wissenschaftliches Denken widerspiegelt, doch nicht sehr „lebbar“ ist. Wie lebt man „vorläufig?“

Die Handelnden, die Politiker stecken nach wie vor im Dilemma. Es gibt nicht die Sicherheit. Es hilft nur die permanente Überprüfung, die Anpassung an die neuen Erkenntnisse.

Wie Sokrates müssen wir sagen: „Ich weiß, dass ich nicht weiß.“ Aber wer kann das aushalten?

Was macht das Existentielle aus? Mir scheint, dass sich scheidet: was ist Dekor, was ist existentiell, unverzichtbar?

Wie zeigte sich meine existentielle Krise?
Nach und nach merkte ich, dass auf einem Bein an zwei Krücken sich fortbewegen, das Gipsbein angezogen, damit es nicht den Boden berührt, nicht nur mühsam ist, sondern vieles Gewohnte verunmöglicht. Eine Tasse von der Küche ins Atelier tragen, ging nicht. Ein Buch kann man in einem Beutel, der um den Hals hängt, transportieren auch das Handy. Doch dann hört es schon auf. Blumen gießen, geht nicht. Das Zimmer lüften, auch nicht.
Was ist existentiell- was Dekor? Das kristallisierte sich nach wenigen Tagen heraus. Etwas zu essen machen-ja, Blumengießen- nein.
Und womit beschäftige ich mich sonst noch? In den ersten Wochen habe ich gelesen, voller Freude, dazu nun so viel Zeit zu haben. Doch dann kam der Punkt, an dem ich nicht mehr nur rezipieren wollte, sondern wieder aktiv etwas gestalten. Mein Arbeiten mit Farben, Ton und Wachs ging nicht mehr, weil ich weder stehen, noch sitzen konnte. Die Beine mussten waagerecht liegen oder sogar erhöht.
Als mir das klar wurde, fiel ich in das dunkle Loch der Verzweiflung, zumal keine Aussicht auf Besserung in Sicht war. Im Gegenteil, durch die Überanstrengung der Hände bei der Fortbewegung mein Gewicht auf den Krücken zu tragen, hatte sich das Daumengrundgelenk – vor allem rechts als Rechtshänder- wieder entzündet. Angst kroch in mir hoch. Kreiste bisher mein Denken um mein tägliches (Über)leben, quälten mich nun, je länger der Zustand andauerte, Fragen nach meiner Zukunft. Nicht mehr arbeiten können wie bisher? Nicht mehr wandern? Nicht mehr reisen? Falls ich es wieder die Treppe hinunter schaffen könnte, dann höchstens für kurze Zeit etwas gehen in Bergstiefeln. High Heels, luftige Sommersandalen für immer passé? War das der Anfang vom Alter? Von meinem Alter: Abhängigkeit und weitgehende Immobilität?

Ich musste mir für die Situation des Lockdown und der Immobilität etwas einfallen lassen, womit ich meinen Tag rhythmisieren und gestalten konnte, was meiner Existenz Sinn verlieh, was mir half, Schmerzen und Quarantäne auszuhalten.
Als mir das Schreiben einfiel, um meinen Gedanken Struktur und meinem Tag Halt zu geben, war das wie eine Erlösung. Nur: leider von kurzer Dauer, weil ich mit der Hand wegen der Schmerzen nicht mehr schreiben konnte. Erst als ich einen Laptop bekam, konnte ich mit der Krise leben.
Existentiell ist für mich – so lernte ich über mich selbst – contemplativ und activ zu sein, um mich handelnd und nicht nur ausgeliefert zu erleben.
Zwar träume ich nach wie vor vom Reisen und Wandern, aber, so stellte ich allmählich fest, es ist auch möglich in Gedanken zu reisen, wobei mir der Laptop quasi als „Fliegender Teppich“ dient.
Außerdem hatte ich das Glück, dass Familie, Freunde, Bekannte mich mit Lebensmitteln versorgten und mit Blumen, die zwar vielleicht „Dekor“ sind, aber für meine Psyche doch unverzichtbar. Noch war ich nicht bereit, auf alle Bedürfnisse zu verzichten, die meine Identität ausmachten. Und dazu gehören Blumen, Kunst ,Musik und Bücher.

Und wie zeigt sich die existentielle Krise in der Gesellschaft?
Quarantäne bedeutet Unterbrechung nicht zuletzt ökonomisch. Sicherlich ist es für diejenigen leichter auszuhalten, die ein Dach über dem Kopf haben und einen Kühlschrank und Internet.
Keiner muss verhungern, keiner verliert seine Wohnung. Selbst Obdachlose, deren soziale Anlaufstellen ebenfalls geschlossen sind, erfahren Hilfe meist von Freiwilligen.
So zeigt sich in der Krise vielerorts Solidarität.
Aber wie hält man Abstand und realisiert man Hygieneregeln in Massenunterkünften?

Außerdem: wie lebt man „Kontaktverbot“? Dauerhaft, auf unbestimmte Zeit?

Sind Sozialkontakte nicht auch von existentieller Bedeutung? Sicherlich kann es hierbei keine allgemein gültige Regel für alle Menschen geben. Hier zeigt sich, welche individuellen Bedürfnisse Menschen haben.
So ist für einen Rentner der Verlust des Jobs nicht existentiell, wohl aber u.U. das Kontaktverbot. Wohingegen manch einer, der sonst von Termin zu Termin hastet, die Pause, durch die nicht permanente Verfügbarkeit sogar genießt. Kinder mögen sich in den ersten Wochen vielleicht über das Schulfrei gefreut haben, aber monatelang nicht auf einen Spielplatz dürfen, die Freunde nicht sehen??? Zudem sind nicht immer Eltern die besseren Lehrer.

Hatten vor dem Lockdown Verpflichtungen, Arbeit, Vergnügungen, kulturelle und sportliche Aktivitäten den Tag rhythmisiert, oft streng getaktet, fällt dies nun alles weg in der großen Pause.
Auf einmal ist da ganz viel freie Zeit, die vielleicht zunächst aufatmend genossen, doch irgendwann auch zum Problem wird, gelingt es nicht, ihr einen Wert zu geben. Wonach man sich immer sehnte, jetzt ist sie im Übermaß vorhanden, droht einen sogar zu erdrücken und das letzte bisschen Aktivität, über die man noch verfügen kann unter bleierner Langweile zu begraben. Denn nicht jeder ist ein verkappter Heimwerker, verfügt über die notwendigen Mittel und findet das entsprechende Geschäft geöffnet. Auch der Bedarf an handgestrickten Schals und Socken ist irgendwann gedeckt.
Zudem kann zu große Nähe in drangvoller Enge auch zu heftigen Konflikten führen, vor allem wenn auch noch Ängste vor der Zukunft quälen.

„social distancing“

Zum Glück verfügen die meisten über digitale Kommunikationsmittel. Die unendliche Zahl an Witzen rund um Corona lassen uns auch lachen angesichts der immer drückenderen Misere in einer so sehr auf Konsum hin orientierten Lebensweise. Glücklich, wer ein witziges Video gestalten kann, selbst wenn er vielleicht materiell nicht besonders abgesichert ist; denn er kann etwas tun, schaffen, was ihm Sinn schenkt.
Ihm Sinn gibt, wenn ansonsten Gewohntes nicht mehr geht. Ein Weiter- so, wenn man aus der Schockstarre erwacht und feststellt, mein bisheriges Leben funktioniert so nicht mehr. Ich muss etwas anderes machen.
Um herauszufinden, was dieses Andere sein könnte, muss ich zuerst einmal in mich hinein horchen, um mir meiner Fähigkeiten und Bedürfnisse bewusst zu werden.

Ich denke, jeder, der etwas machen, hervorbringen kann, ob es eine Kiste bauen ist oder Handschuhe stricken, etwas schreiben oder per Videoschaltung musizieren, wird wahrscheinlich psychisch besser durch diesen Lockdown kommen, weil er etwas gefunden hat, das ihm Sinn gibt, mit der er die leere Zeit zu füllen weiß.

Ein Weiter-so würde die veränderten Bedingungen negieren und verdrängen oder in Passivität verharren, abwarten und hoffen, dass „danach“ alles wieder so sein würde wie vorher.
Doch wenn es sich um eine existentielle Krise handelt – wie diese Pandemie- ist dies ein aussichtsloses Unterfangen.
Irritiertes, verunsichertes Lebensgefühl, gestörte, zerstörte Wirtschaftskreisläufe, euphorische Hilfsbereitschaft, zerbrochene Freundschaften, verlorene Gewissheiten, nichts ist mehr wie es zuvor war.

Außerdem wie sagte schon Einstein:“wir können Probleme nicht mit den Mitteln lösen, die sie verursacht haben.“
Es zwingt zum veränderten Denken und zur Neujustierung des Handelns.
Dann kann in der Krise auch eine Chance stecken.

Ich glaube, dass ich den Ernst einer Pandemie in seiner existentiellen Auswirkung sehr früh sehr ernst genommen habe. Vielleicht weil ich gerade selbst eine existentielle Krise durchmachte. Ich hatte gelernt, wenn es nicht gelingt, sein Verhalten zu ändern, man nicht unbeschadet da heraus kommt. Die Verhaltensänderung bezieht sich meist vor allem auf die Zielanalyse und in Konsequenz auf andere Wege, dieses modifiziertes Ziel und/oder seine Wege/Mittel zur Erreichung.

Da es in einer solchen Neuorientierung keine Sicherheit vorab gibt, verstärkt sie zunächst noch einerseits die Angst und andererseits die Skrupellosigkeit, zumal wir einen Teil unserer demokratischen Gesetze zeitweilig außer Kraft gesetzt haben.
Und dennoch hoffe ich, dass es gelingt durch diese Erschütterung alter Gewissheiten, den Weg für neues Handeln zu öffnen. Z.B darf es das einfach nicht geben, die Wirtschaft hoch fahren, um möglichst schnell wieder Gewinne zu machen ohne die überfälligen Veränderungen für den Klimaschutz zwingend zu implementieren,.
Haben wir uns nicht alle über die bessere Luft, den geringeren Lärm gefreut und festgestellt, dass so manche weltweite Konferenz auch per Videoschaltung geht? (=Zeit und Ressourcenersparnis.)

Alle systemrelevanten Wissenschaften müssen einbezogen werden, um eine Lösung zu entwickeln: zur Bewältigung der Coronakrise und zugleich ökologische Erfordernisse mitberücksichtigen. Denn auch dies hängt miteinander zusammen: die Wahrscheinlichkeit, dass ein Virus, das von Wildtieren auf den Menschen überspringt, wird in einer zerstörten Umwelt immer häufiger geschehen, und es wird mutieren.

Eine existentielle Krise zwingt zum Innehalten und öffnet somit die Chance zum Nachdenken.
Darin scheint mir die Parallele zwischen individueller und gesellschaftlicher Krise zu stecken. Dieses Nachdenken ist mit tiefer Verunsicherung verbunden und Angst vor einer ungewissen
Zukunft. Jedoch sollten wir uns Neuem stellen, ja im Sinne unserer Entwicklung sogar fordern.

Ich halte dies für einen tröstlichen Gedanken, der die Kraft zum Durchhalten und schließlich zur Überwindung in sich birgt. Wir können neue Facetten an uns entdecken. Vielleicht erfahren wir, dass Reduktion sogar einen Gewinn bedeuten kann. Denn wir sind auch in der gebotenen Entschleunigung nicht zur Passivität verurteilt.