Während der Seminararbeit entstanden etliche Plakate, auf denen Arbeitsschritte und Ergebnisse festgehalten und dann schließlich zur Orientierung aufgehängt wurden. Sie mussten hoch genug angebracht werden, um gut sichtbar zu sein. Das geschah meist in einer Arbeitspause.

Ina beobachtete wie sich zwei Frauen anstengten, die großen, sperrigen Plakate aufzuhängen und dazu noch eingermaßen gerade. Es gelang ihnen nicht. Schließlich baten sie noch andere Frauen hinzu. Eine versuchte in ihrem langen, engen Tschador auf einen Stuhl zu steigen. Die Vier mühten sich redlich ab. Doch das Ergebnis waren schief aufgehängte Plakate, die zudem nun auch noch verknickt waren. Dies Drama wiederholte sich mehrmals am Tag. Als Ina, die Referentin, auf einmal bemerkte, dass einige Teilnehmer sich über die schlecht angebrachte Arbeit beschwerten, meinte sie, sie wundere sich ohnehin, warum die Kleinsten das Aufhängen übernehmen würden. Warum nicht die Großen, die auch nicht auf Stühle steigen müssten. Verdutzt schauten alle sie an. Dann fasste Leila sich ein Herz, das war deutlich zu beobachten und sagte:“ Wenn mehrere anfassten, ist es auch leichter, die Plakate gerade zu hängen.“

„Ich könnte mir auch vorstellen, dass es den Männern, die meist größer sind als wir Frauen, viel leichter fällt, Plakate aufzuhängen. Die Plakate dokumentieren schließlich die gemeinsame Arbeit“, meinet Ina. Betroffen sah Seif sie an. Hassan fasste sich als erster: „Klar, machen wir.“

Die Rollenzuschreibung war so zementiert, dass sie gar nicht erst hinterfragt wurde – weder von den Frauen, noch den Männern. Jedoch darauf hingewiesen, reagierten die meisten überrascht, manchmal betroffen, so als hätten sie eigentlich selbst die Situation erkennen müssen.

Seit zwei Tagen arbeiteten Frauen und Männer zusammen, genauer sie arbeiteten in einem Raum, nicht jedoch gemeinsam, denn auf der einen Seite des Raumes hatten sich die Frauen versammelt, auf der gegenüberliegenden die Männer.

Während des Essens verließen die Männer den Raum, damit die Frauen ihren Hijab abnehmen konnten um zu essen.

Die Teepausen jedoch verbrachten sie zusammen im Raum, aber in getrennten Gruppen.

Allmählich veränderte sich das Verhalten, sicherlich auch durch die häufigen Gruppenarbeiten, in denen immer öfter Frauen und Männer gemeinsam ein Problem zu lösen versuchten.

Ganz allmählich veränderte sich auch die Kommunikation von Frauen und Männern untereinander. Es wurde natürlich, dass auch die Männer den Frauen einmal den Tee eingossen, sie bedienten, Zucker und Milch reichten. Gebäck wurde angeboten.

Unmerklich veränderte sich die Kommunikation und wandelte sich zur natürlichen Interaktion und gemeinsamen Arbeit.

Ist nicht gemeinsames Lachen ein Zeichen von Unverkrampftheit und Natürlichkeit?