Nach wieder einmal reichlich Frust mit der PC-Technik entschloss sich Manju, obwohl es ungemütlich nieselnd regnete, ihrer Seele etwas Gutes zu tun. Sie sehnte sich nach Farbe in dem tristen Grau und fuhr zu einem Tulpenfeld.

Neugierig und gespannt hoffte sie, dass trotz Kälte die Tulpen sich zeigen würden – zumindestens ein ganz klein wenig. Manju überlegte, sie seien ja schließlich Frühjahrsblüher und mit einer kräftigen Zwiebel ausgestattet. Und außerdem, woher sie stammten, einige sogar aus dem Hochgebirge des Himalayas, müssten sie unsere Aprilkälte auch vertragen.

So sehr sie auch ihre Augen anstrengte – ein wogendes Farbfeld konnte sie nicht entdecken.

Ihre Sehnsucht nach frischem, atmendem Grün war jedoch so groß, dass sie sich nicht entmutigen ließ. Tatsächlich entdeckte sie – als sie im Feld stand -einige nahezu noch grüne Spitzen in der nassen Erde, keine Blattspitzen, sondern Blüten fast restlos in den Blättern geborgene Blütenspitzen, ebenfalls grünlich. Doch sie schenkten bereits einen Hauch von Farbe.

Gebückt stapfte Manju durch den Matsch auf der Suche nach zartem Farbahnen – und wurde belohnt. Zwar kamen ihr Bedenken, diese winzigen Tulpen zu schneiden – andererseits lugten sie auf solch starken Stielen aus aus dem Blattgrün, dass sich sich dennoch entschloss. Und wachsen sie nicht in der Vase? Wie oft hatte sich darüber gewundert.

Sie hatte aus Ton etlich kleine Vasenobjekte gestaltet, die bereits eine einzelne Blüte wie ein Ikebana-Gebilde erscheinen ließen.

So schnitt, eigentlich eher grub sie vorsichtig eine Pflanze nach der anderen. Die Blätter waren von einer hauchzarten Wachsschicht überzogen, an denen die Regentropfen abperlten. Sie knackten vor Frische, durfteten nach Erde und umhüllten die kaum farbigen Knospen, die eher weiß-grün denn einen Hauch von gelb zeigten. Die gelben Tulpen sind die ersten, auch in der langen Kulturgeschichte, fiel ihr ein.

Die Tulpenwinzlinge enttäuschten Maju nicht. Sie wuchsen und wuchsen und entfalteten ihre Pracht. Manche waren kühl-weiß, andere entwickelten ein dunkles, feuriges karmin-rot; da gab es rosa, auch gelb-rot gestreifte mit runden Blütenblättern, wieder andere waren buttrig gelb, einige liefen spitz zu oder waren so knubbelig, dass sie gefüllt sein mussten. Schaute Manju in die Gesichter von erblühten Tulpen, entdeckte sie in einigen kräftig grüne Stempel umgeben von schwarzen Staubgefäßen. Aber es gab auch weiß-gelbliche – ach, einfach eine unendliche Füle an Variationen.

Manch ein Blütenkelch weckte die Erinnerung an die Bedeutung des Namens aus dem Persischen „lale“ „Geliebter“, auch „Herz“, nicht wegen des Aussehens, sondern durch die Wirkung der Blume. Und ließen die Tulpen nicht Manjus Herz hüpfen vor Freude über die reiche Farbenpracht? Sahen sie nicht aus als würden sie von innen heraus leuchten?

Wenn Tulpen welken, „altern“ sie jedoch nicht, sondern machen geradezu eine Metamorphose durch und mutieren zu einer Orchidee.

Kein Wunder, dass im 16. Jahrhundert die Tulpenmanie ausbrach und ein Glück, dass diese Spekulation heute beendet ist „und ich mir Tulpen „leisten“ kann“, dachte Manju erleichtert.

Während sie sich täglich über die Veränderung ihrer Tulpen freute, fielen ihr so manche Assoziationen ein. Die wundervollen persischen Seidengewänder oder auch die Kacheln mit stilisierten, doch unverkennbar von Tulpenformen inspirierten Motiven oder auch die üppigen Stillleben vom Blumen-Breughel. Der Holländer hatte ja wahrlich jede Menge Anschauung in seinem Tulpenparadies. 400Jahre Züchtung hatten 12000 Sorten kultiviert.

Wie kommt es nur, dass die Tulpe diese Manie ausgelöst hat? Gibt es denn nicht unendlich viele, ebenfalls in Form und Farbe faszinierende Blumen?

Und welchen Stand hat heute die Tulpe – 10St. für 1,99€ bei Aldi?
Achten wir den Wert des Einzelnen, wenn er in Massen auftritt? Ist die königliche Tulpe zum Ramschobjekt verkommen?
Nachdenklich betrachtete Manju ihre Tulpen, dankbar für die Freude, das Leuchten, das Strahlen, was sie schenkten – jede einzelne – ein Wunder der Wandlung.
Warum geben wir eigentlich nur Tieren Namen? Sind Blumen, Pflanzen nicht genauso Charaktere?

Magie des Wandels
Grün die Spitze wie ein Blatt
Erblüht zum Leuchten.

Magie des Wandels
Farbglühende Tulpenpracht
Welkt zur Orchidee.